19.6.15

[ #geschichte ] Außerordentliche Rundfunkmaßnahmen.

"Feindsender" zu hören war im Naziregime strengstens verboten.
Mit der "Verordnung über außerordentliche Rundfunkmaßnahmen" vom 1. September 1939 wurde das absichtliche Abhören ausländischer Sender verboten. Juden war bereits im September 1939 schon allein der Besitz eines Radioapparates verboten worden. Wer es dennoch wagte, konnte 1941 bis 1945 monatlich in der BBC dem Nobelpreisträger Thomas Mann lauschen. An Deutlichkeit lässt er es nicht fehlen: Früh schon berichtete er von Kriegsverbrechen.

Da die nationalsozialistischen Berichte aber im Verlaufe des Krieges für die Bevölkerung immer deutlicher den erfahrbaren Tatsachen widersprachen, wurden die Informationen der Auslandssender attraktiver und trotz möglicher Todesstrafe vielfach gehört. Auf Wunsch der BBC hielt Thomas Mann seit Oktober 1940 etwa einmal im Monat eine Rundfunkansprache über den deutschen Dienst der BBC, die stets mit der Anrede "Deutscher Hörer!" begann. Während die ersten Ansprachen in London verlesen wurden, sprach Thomas Mann ab 18. März 1941 die Reden selbst im Aufnahmestudio der NBC in Los Angeles. Die besprochenen Platten wurden dann nach New York geflogen und über Kabel nach London überspielt.


Der bekannteste und meistgehörte "Feindsender" dürfte eben die BBC gewesen sein, die Schätzungen reichen von einer bis zehn Millionen deutschen Hörern. Nach Berichten kuriserte folgender Flüsterwitz: "Was ist der Unterschied zwischen einem deutschen und einem Feindsender? Der deutsche sendet "Deutschland, Deutschland über alles!", der Feindsender alles über Deutschland..." Aber auch Radio Luxemburg und der Moskauer Sender wurden viel gehört, in den Strafakten tritt gar Radio Vatikan auf, der sich über den Bruch des Konkordates beklagte.

"Feindsender hören" hatte nicht immer - man nimmt sogar an, dass dies nur in der geringeren Zahl der Fälle so war - einen politischen Grund oder einen Widerstand als Hintergrund. Oft war es - gerade bei BBC - das liberalere oder bessere Musikprogramm. Mangelsdorff, einer der Erneuerer des deutschen Jazz nach dem Zweiten Weltkrieg, berichtet (wie viele andere Zeitzeugen auch):

"Abends, wenn mein Onkel und meine Tante im Theater waren, hörte ich die so genannten "Feindsender", was ja offiziell verboten war. Dort gab es viel Jazz zu hören, sehr viel Glenn Miller natürlich, aber auch Count Basie, Duke Ellington und solche Leute, die mich viel mehr interessiert haben. Ich war damals schon von meinem Bruder und seinem Kreis geprägt, die dem puristischen Jazz näher standen."

[text4tube⇒]