10.7.14

Kakaniens endgültige Gegenreformation: Buchverbote

Die Systematik, mit der in Österreich gegen Bücher und Literatur im Ständestaat (1933-38) vorgegangen wurde, belegt auf eindrückliche Weise die Kulturlosigkeit des damaligen politischen Systems, das heute in manchen rechtskonservativen Kreisen gerne als Bollwerk gegen den deutschen Faschismus hochgelobt wird. 

Die Bücher wurden nicht, weil sie jemand gelesen hatte, sondern auf bloßem Verdacht und häufig katholischer Denunziation hin verboten. Dafür gab es zahllose "Rechtsgrundlagen" im österreichischen Ständestaat, denen allerdings die formale verfassungsrechtliche Legalität fehlte und die in ihrer wirren Praxis und dem chaotischen System das Buchverbot zu einem Risiko für den Buchhandel gestalteten und schon so äußerst vorbeugend wirkte.

Verboten wurden auch Bücher, die in Deutschland verbrannt wurden: Kurt Tucholsky, Lerne lachen ohne zu weinen (nach § 303 St. G.), Bertolt Brecht, Lieder, Gedichte, Chöre (nach §§ 303, 305 St. G.), Egon Erwin Kisch, Geschichten aus 7 Ghettos (nach § 303 St. G.), Claire Goll, Ein Mensch ertrinkt. Roman (nach § 516 St. G.), Walter Mehring, und Euch zum Trotz. Chansons, Balladen, Legenden (nach § 303 St. G.). Eine polizeiliche Hausdurchsuchung nach Waffen (!) bei dem ausgewiesenen Pazifisten veranlasste Stefan Zweig schon 1934 zum Verlassen Salzburgs. Bis 1940 lebt er in Großbritannien im Exil.


Dabei waren die Schergen offenbar nicht sonderlich gebildet oder gar belesen, konnten oft kaum mehr als den Titel lesen. So wurde auch das 1935 im Amsterdamer Querido Verlag erschienene Werk Hitler von Rudolf Olden vom 5. Jänner 1936 nach der "Demonstrationsverordnung" (!) verboten, um in der folgenden Liste vom 13. Februar wieder freigegeben zu werden. Im November 1937 wurde das Buch allerdings als Zugeständnis gegenüber den Deutschen Faschisten wieder verboten. Oldens Anti-Hitler-Buch wurde von den Deutschen logischerweise als "Hetzliteratur" eingestuft und anlässlich der Verhandlungen zwischen beiden Ländern im Juli 1937 in Wien auf die reichsdeutsche Wunschliste von Büchern gestellt, für die man sich in Österreich ein Verbreitungsverbot wünschte.

Das Buch "Notizbuch des Provinzschriftstellers Oskar Maria Graf" wurde verboten, beschlagnahmt und gegen Oskar Maria Graf ein Strafverfahren eingeleitet. Das ist schon deshalb bemerkenswert, weil nach der Bücherverbrennung der Nazis im Jahre 1933, bei der Graf "verschont" worden war, dieser am 12. Mai in der Wiener Arbeiter-Zeitung seinen Protest "Verbrennt mich!" veröffentlichte. Das klerikofaschistische System Österreichs reagierte nicht anders als das deutsche nazistische, freilich mit weniger Machtressourcen und auf österreichisch chaotisch, Kakanien halt.


Aus dem Beschlagnahmeverfahren gegen Graf ist die Aussage des Gerichts zum Verbot bekannt: Im Urteil heißt es u.a., die inkriminierte Stelle bildet eine Verspottung und Herabsetzung der Lehren der katholischen Kirche. Es wird in ironischer Weise zum Ausdrucke gebracht, dass das Auswendiglernen des Katechismus zur natürlichen Folge habe, dass man nichts glaube, es wird gesagt, dass, wer katholisch sei, schon darum nichts glauben könne, weil er gewissermaßen den Unglauben an alles, was ist, schon mit auf die Welt bekomme.

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