10.7.14

[ #oper ] Ohrwurmschmerzen.

Der Freischütz von Carl Maria von Weber wurde schon nach der Uraufführung unverzüglich so populär, dass man offenbar nicht durch die Stadt gehen konnte, ohne Freischütz-Melodien in irgendeiner Form zu Gehör zu bekommen. Und das lange vor der Dauerbeschallung durch mp3s, Radio und Kauflaunehebungsschall im Supermarkt.



In seinen "Briefen aus Berlin" hat sich Heinrich Heine ironisch darüber beklagt: 

"Haben Sie noch nicht Maria von Webers 'Freischütz' gehört? Nein? Unglücklicher Mann! Aber haben Sie nicht wenigstens aus dieser Oper das 'Lied der Brautjungfern' oder kurzweg den 'Jungfernkranz' gehört? Nein? Glücklicher Mann! Wenn Sie vom Hallischen bis zum Oranienburger Tore gehen, hören Sie jetzt immer und ewig dieselbe Melodie, das Lied aller Lieder: den 'Jungfernkranz'. Wie man in den Goetheschen Elegien den armen Briten von dem 'Marlborough s'en va-t-en guerre' durch alle Länder verfolgt sieht, so werde ich auch von morgens früh bis spät in die Nacht verfolgt durch das Lied:

        Wir winden Dir den Jungfernkranz
        Mit veilchenblauer Seide;
        Wir führen dich zu Spiel und Tanz, 
Zu Lust und Hochzeitsfreude.
        Chor:
        Schöner, schöner, schöner grüner Jungfernkranz,
        mit veilchenblauer Seide, mit veilchenblauer Seide!

Bin ich mit noch so guter Laune des Morgens aufgestanden, so wird doch gleich alle meine Heiterkeit fortgeärgert, wenn schon früh die Schuljugend, den 'Jungfernkranz' zwitschernd, bei meinem Fenster vorbeizieht. Es dauert keine Stunde, und die Tochter meiner Wirtin steht auf mit ihrem 'Jungfernkranz'. Ich höre meinen Barbier den 'Jungfernkranz' die Treppe heraufsingen. Die kleine Wäscherin kommt 'mit Lavendel, Myrt' und Thymian'. So geht's fort. Mein Kopf dröhnt. Ich kann's nicht aushalten, eile aus dem Hause und werfe mich mit meinem Ärger in eine Droschke. Gut, dass ich durch das Rädergerassel nicht singen höre. Bei ... steig' ich ab. Ist's Fräulein zu sprechen? Der Diener läuft. 'Ja.' Die Türe fliegt auf. Die Holde sitzt am Pianoforte und empfängt mich mit einem süßen:

'Wo bleibt der schmucke Freiersmann? Ich kann ihn kaum erwarten.' –

Sie singen wie ein Engel! ruf´ ich mit krampfhafter Freundlichkeit. 'Ich will noch mal von vorne anfangen', lispelt die Gütige und sie windet wieder ihren 'Jungfernkranz' und windet und windet ...".




[text4tube⇒]