25.10.14

[ #theater ] Publikumsbeschimpfung und Provinzposse

Das Stück durchbricht alle Theatertraditionen, man charakterisiert es als ein "Nichtstück", ein "Unstück", ein "Antistück", angesiedelt zwischen Litanei und Gehirnwäsche. So spielen die Schauspieler beispielsweise Publikum und applaudieren am Ende dem Parkett. 


So kommt es bei der Uraufführung zu tumultartigen Ausschreitungen. Zuschauer, die von den Schauspielern verbal attackiert werden, tun ihren Unmut lautstark kund und entladen ihn bei Handgreiflichkeiten auf der Bühne. Handkes Versuch zu zeigen, wie "jemand, auf Papier, seine Freiheit erwirbt, die Freiheit, sich selbst, die anderen und die Welt zu sehen, wie man es will" und seine anhaltenden Warnungen vor der Manipulation der Sprache, passten nicht nur zur politischen Umbruchstimmung der sechziger Jahre, sondern auch zu den siebziger Jahren, in denen sich Enttäuschung über das Scheitern der politischen Ideale der sechziger Jahre breit machte. Das Publikum in seiner Rolle als konsumierender Voyeur wurde von vier zornigen jungen Männern einer gnadenlosen Anmache ausgesetzt und musste sich anpöbeln und vorführen lassen. Handkes Verzicht auf ein Weltbild und ein Wertesystem, mit dem sich der Leser identifizieren kann, die starke Ich-Bezogenheit seiner Figuren und das Interesse an formtechnischen und sprachlichen Aspekten machten ihn zu dem deutschsprachigen Autor der siebziger Jahre, weit über den deutschen Sprachraum hinaus.


Eine Provinzposse der bürgerlichen Parteien. Mit Rot-Grün als Speerspitze, weil sie ja für die deutsche Beteiligung an dem völkerrechtswidrigen Krieg gegen Serbien verantwortlich waren, hatte die Düsseldorfer Stadtverordneten-Versammlung einmütig entschieden, dass der von einer unabhängigen Kommission für 2006 an Peter Handke vergebene Heinrich-Heine-Preis nicht übergeben wird. Der Grund: Handke weigert sich einfach, die offizielle Geschichtsklitterung anzuerkennen, dass die Spaltung Jugoslawiens von Milosevic eingeleitet worden sein soll, dass es Internierungslager und Massaker nur von serbischer Seite gegeben haben soll, dass Fischers Vergleich Milosevics mit Hitler und seine Behauptung, es müsse ein neues Auschwitz verhindert werden, richtig gewesen sein soll und dass es plötzlich kein Kriegsverbrechen mehr ist, wenn man aus imperialistischen Interessen ein kleines Land in die Steinzeit zurückbombt.

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