27.8.14

[ #innovation ] Subversion durch technologische Novation.

"Algarve-line" Gartenkamin "Vilamoura" der Firma Eipeldauer.
Vilamoura (maurische Stadt) ist ein Ort an der Allgarve.
Zu den technischen Neuerungen, die mit dem Vordringen des arabischen Kulturraums nach Spanien gelangten, sind solche mit weitreichenden Konsequenzen.  

Wobei über die islamisch-arabische Kultur - die man heute in Kreuzzugsmanier gerne bestreiten möchte - in diesem Zusammenhang hinzugefügt werden darf, dass zu Zeiten Karl des Großen, also im 9. Jahrhundert die Bibliothek in Cluny - die größte christliche Bibliothek - gerade mal über rund 5000 Bücher verfügte, aber die zeitgleiche Bibliothek allein des Kalifats Córdoba eine halbe Million Bücher besaß! Es gab damals neben dem maurischen Spanien kein wirkliches Europa, kein "Abendland", es gab nur Wälder mit ein paar ärmlichen Siedlungen. Und einige Klöster, in denen allerdings auch nur wenige Leute lebten, die man nicht zu den Analphabeten hätte zählen müssen.


Selbst nach der "Befreiung" der iberischen Halbinsel von den Mauren durch die christliche Reconquista entwickelte sich das nationale Kunstverständnis weiter unter bedeutendem Einfluss der maurischen Künstler. In den von den Christen zurückeroberten Gebieten wurden zahlreiche maurische Künstler und Handwerker zum Bleiben ermächtigt und Mudejaren (spanisch mudéjar, "in christlichen Diensten") genannt wurden. Viele Kunstwerke wurden von und für Christen im maurischen Stil ("Mudéjarstil") so erschaffen. Ein berühmtes Beispiel ist Alcázar in Sevilla aus dem 14.Jahrhundert, deren flache und kompliziert geschnitzten Flächen typisch für maurische Fassaden sind.

Die volkstümliche Mudéjar-Tradition, die auch von den einheimischen Künstlern und Handwerkern fortgeführt wurde, zeichnet sich durch regionale Eigenheiten aus. Man findet z.B. in Kastilien häufig Blendarkaden als Wandschmuck, in Aragonien geometrische Muster und Azulejos-Kacheln als Wandverkleidung der Glockentürme. Es wäre auch falsch anzunehmen, dass die Bevölkerung nichts als die Befreiung von den Mauren erwartete. Maurisches Leben wirkte im Untergrund ja gar subversiv fort.


So überraschen den Besucher an der portugiesischen Algarve (Die Region Al-Gharb - arabisch: der Westen - war eine blühende maurische Provinz gewesen) die schmucken Kamine der Häuser, die wie kleine Minarette aussehen. Hier in der Algarve haben die "Mauren" am längsten der christlichen Reconquista standgehalten. Es ist dort Tradition, einen hohen Kamin mit feinen Mustern auf das Dach zu setzen. Diese Tradition entstand zu der Zeit, als eben die Christen das Land eroberten und die Muslime zwangen, auszuwandern oder zu konvertieren. Mit diesen kleinen Minaretten, die sie als Kamine vorgaben, gaben die Einwohner ihren Protest kund. Heute sind diese Schornsteine das Wahrzeichen der ganzen Provinz.


Und auch die Heizungstechnik steht nicht ohne Bewunderung vor diesen Minaretten und sieht darin eine weitere Kulturleistung der Araber auf dem europäischen Kontinent, die eine aufmerksame Naturbeobachtung vor- aussetzt. Denn allen diesen Minarett-Kaminen sind feine, seitliche Öffnungen und der obere Abschluss gemeinsam. Das macht die Türmchen zu raffinierten aerodynamischen Ge- räten. Denn durch die seitlichen Öffnungen streicht immer ein senkrecht zur Schornsteinachse gerichteter feiner Wind. Dadurch ergibt sich im Schorn- stein ein kleiner Unterdruck. (Diesen Druckabfall durch Einwirkung von strömenden Gasen oder Flüssigkeiten kennen wir auch von so alltäglichen Geräten wie der Wasserstrahlpumpe oder den Vergasern in Automotoren, die nach dem Injektorprinzip funktionieren. Beschrieben hat es der Physiker Bernoulli.) Der Unterdruck wird durch aufströmende warme Abluft des Ofens ausgeglichen. So wird der Zug des Schornsteins aufrecht gehalten. Die Abluft des Ofens entweicht dem Schornstein also nicht als dicker Ballon (der in der heißen Außenluft steckenbleiben würde), sondern sie "mogelt" sich förmlich in den durchstreichenden Wind und wird so abgeführt.


[text4tube⇒]