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2.1.17

[ #architektur ] Die Rückkehr des Spießbürgers

Die Zeitschrift, die der "Art Nouveau" im deutschsprachigen Raum dem "Jugendstil" den Namen lieh, "Jugend. Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben", erschien am 1.Jänner 1896 in München zum ersten Mal.  Das Programm:  "Ein 'Programm' im spießbürgerlichen Sinn des Wortes haben wir nicht." 



Ab dem Ersten Weltkrieg wurde die Jugend zunehmend zu einer deutsch-nationalen und bayrisch - heimattümelnden Zeitung.  In der Sondernummer "Tag der Deutschen Kunst" 1937 heißt es in der Einleitung: "Als das deutsche Volk uneinig und zerrissen war, maßte sich auch die Kunst an, sich von ihrem Volke loszusagen und ein selbständiges Eigenleben zu führen". "Wenn sich die Kunst loslöst vom Pulsschlag des Volkes, wird sie unfähig ethische Werte zu zeugen." Aber die Zeit des "krankhaften Intellektualismus", der "künstlerischen Verirrung" und des "entwurzelten Geisteslebens" sei vorbei.

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13.1.16

[ #architektur ] Neues Wohnen: Auch die Meister wohnen zur Miete.

1924 geriet das Staatliche Bauhaus in Weimar infolge politischer Widerstände der thüringischen Regierung in eine Krise. 

Gespräche wegen der Übernahme des Instituts wurden mit Frankfurt am Main, Mannheim und Dessau geführt. Walter Gropius verhandelte 1925 mit Oberbürgermeister Fritz Hesse über die Ansiedlung des Bauhauses in Dessau. Ihm wurde nicht nur der Bau des Schulgebäudes zugesichert, sondern auch der einer Reihe von Wohnhäusern für Bauhausmeister.


Für das Haus des Direktors und die drei Doppelhäuser wurde ein Gelände an der damaligen Burgkühnauer Allee in fußläufiger Entfernung zum Bauhausgebäude gewählt. Wie beim Bauhausgebäude war die Stadt Dessau der Auftraggeber. Die Bauhausmeister wohnten zur Miete, die bedingt durch Größe und besondere Ausstattung der Häuser nicht gering war. Den Künstlern standen hier großzügige Ateliers zur Verfügung, deren verglaste Fronten zu den bemerkenswertesten Gestaltungselementen der Häuser gehören. Neben der Einheit von Form und Funktion ist die intensive Farbgebung - Kandinsky und Klee nutzten ihre Räume zu faszinierenden Experimenten mit dem Gestaltungselement Farbe - bemerkenswert.


Die ersten Bewohner der Meisterhäuser waren Walter Gropius, Laszlo Moholy-Nagy, Georg Muche, Oskar Schlemmer, Wassily Kandinsky, Paul Klee und eben Lyonel Feininger. Mit den Meisterhäusern sollte auch eine neue Art zu wohnen demonstriert werden. Besonders das Haus Gropius wies eine Fülle bemerkenswerter Details auf, vom begehbarem Kleiderschrank über die "Heißwasser-Soda-Dusche" der Spülküche bis zum zusammenschiebbaren Doppelsofa. Auf diesem Gebiet sollte sich die damalige Voraussicht von Gropius bestätigen: "heute wirkt vieles noch als Luxus, was übermorgen zur Norm wird", schrieb er 1930 mit Bezug auf die Innenausstattung der Meisterhäuser.


Die Meisterhäuser wurden in ihrer wechselvollen Geschichte außerordentlich stark in Mitleidenschaft gezogen. Trotzdem zeichnen Sie sich durch eine sehr hohe Bestandsqualität aus. Bereits 1970 unter Denkmalschutz gestellt, konnten die finanziellen Mittel für eine denkmalgerechte Sanierung der Gebäude erst nach 1991 aufgebracht werden. Die Sanierung begann 1992 mit der Instandsetzung des Hauses Feininger. Nach der Aufnahme der Meisterhäuser in die Weltkulturerbeliste der UNESCO 1996 konnten auch die Häuser Kandinsky/Klee und Muche/Schlemer saniert werden. Eine "Stiftung Meisterhäuser" kümmert sich um Organisation von Mitteln zum Erhalt des Weltkulturerbes.

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24.8.15

[ #physik ] Antirelativitätstheoretische GmbH

Wie unterschiedlich schnell sich Wissenschaft in Deutschland nach dem ersten Weltkrieg entwickelte und wie zukunftsträchtig der Bau des Einsteinturmes um diese Zeit schon war, zeigt sich daran, dass sich eine "Arbeitsgemeinschaft deutscher Naturforscher zur Erhaltung reiner Wissenschaft", als Sammelbecken der Gegner der Relativitätstheorie in Berlin gebildet hatte.

Mit dieser "Arbeitsgemeinschaft" sympathisierten auch namhafte Physiker, wie z.B. Ernst Gehrcke oder die Physik-Nobelpreisträger Lenard und Stark. Den ersten Höhepunkt dieser Kampagne der "Arbeitsgemeinschaft" gegen Einstein und die Relativitätstheorie bildete eine öffentliche Veranstaltung am 20.August 1920 in der Berliner Philharmonie, in der Einstein als Plagiator verleumdet und die Relativitätstheorie als wissenschaftlicher Dadaismus verunglimpft wurde.


Einstein nahm als zahlender Gast an dieser Veranstaltung teil und spendete bei den unverschämtesten Angriffen immer besonders laut Beifall. Der Eindruck, den diese und weitere Veranstaltungen beim gebildeten Publikum und den Fachkollegen Einsteins hinterließen, kann nur als katastrophal bezeichnet werden. Das "Berliner Tageblatt" und andere Zeitungen berichteten in mehreren Ausgaben über die Offensive gegen Einstein.


Einstein selbst antwortete am 27.August 1920 im "Berliner Tageblatt" der "Arbeitsgemeinschaft", die von ihm nur als "Antirelativitätstheoretische GmbH" bezeichnet wurde. Die Fachkollegen Einsteins wie von Laue, Nernst, Planck, Sommerfeld u.a. stellten sich in ihrer Mehrheit schützend vor Einstein und zeigten sich über das Vorgehen der Einsteingegner empört.

Obwohl Einstein die unqualifizierten Angriffe mit Humor zu meistern versuchte, blieb er doch von diesen Vorkommnissen nicht unberührt und stellte sich die Frage, ob für ihn ein Verbleiben in Berlin noch sinnvoll sei. Die Presse machte aus diesen Gerüchten bereits vollendete Tatsachen und Schlagzeile: "Albert Einstein will Berlin verlassen !!!". Nun ein paar Jahre später wird Einstein Deutschland auf der Flucht vor den Nationalsozialisten verlassen haben.


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25.4.15

[ #architektur ] Ceppelina - Metropolis - Brasilia

King Camp Gilette schien Graf Zeppelin in Friedrichshafen begeistert zu haben, denn Gillette arbeitete an der Planung der Stadt "Ceppelina" mit. 

1982 fand man in einem Archiv der Universität von São Paulo einige Zeichnungen und Pläne, die das Wirken King Camp Gillette's um eine erstaunliche Variante erweiterte und sein Werk weitaus komplexer erscheinen lässt als dies bisher bekannt war.


Die gefundenen Zeichnungen und Dokumente, die auf die Jahre zwischen 1908 und 1909 datiert sind, belegen, dass Graff Zeppelin und King Camp Gillette gemeinsam an Entwürfen zu einer Großstadt für ungefähr zehn bis fünfzehn Millionen Menschen arbeiteten, die auf einem 14.400 Quadratkilometer großen Bereich angesiedelt werden sollte.

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14.10.14

[ #architektur ] "Reichstagsausschmückungskommission" verziert "Reichsaffenhaus".

Dem deutschen Volke. 

"Ihr Völker der Welt, schaut auf diese Stadt" fleht der Regierende Bürgermeister Ernst Reuter auf einer Kundgebung im September 1948, als die Sowjets die Blockade Berlins beginnen - der Anfang des Kalten Krieges. Reuter steht vor der unbrauchbar gewordenen Ruine des Reichstags. Die Inschrift dagegen hat fast unbeschadet den II. Weltkrieg überstanden, nur zwei Buchstaben fehlten.

DEM .EUTSCHEN .OLKE
Die neue Widmung des deutschen Parlamentsgebäudes lautete damit: "DEM .EUTSCHEN .OLKE". Auf Geheiß des deutschen Kaisers musste die Inschrift 1916 aus "erbeuteten Feindeskanonen" gegossen werden. Der Architekt Peter Behrens entwirft die Schrift als Synthese von germanischer Fraktur- und römischer Antiqua-Schrift, um beide Wurzeln des deutschen Wesens zu verdeutlichen: Das Germanische und das Römische.


Reichsaffenhaus.

Diese Inschrift ist ein Kind des Krieges: Erst 1916, mitten im I. Weltkrieg und erst 22 Jahre nach Fertigstellung des Reichstages wird sie angebracht. Bis dahin hatte Wilhelm II. die Anbringung der Weiheschrift verhindert. Schon nach der Schlusssteinlegung nannte er das Reichstagsgebäude in einem Brief an seinen Intimus Eulenburg ein "Reichsaffenhaus". Und als das Gebäude am 5. Dezember 1894 eingeweiht wurde, fehlten die drei Wörter. Die Sozialdemokraten "vermuteten" schon damals, dass Kaiser Wilhelm II. ihre Anbringung verhindert hatte. Ihn störte besonders Demokratie und Parlamentarismus, wohl auch der Bau und der Architekt.

Reichstagsausschmückungskommission.

Als ein Jahr nach Beginn des Ersten Weltkrieges der Unterstaatssekretär im Reichskanzleramt, Wahnschaffe, seine Sorge in einem Brief an den Chef des Zivilkabinets, Valentini, zum Ausdruck brachte, dass der Kaiser mit jedem weiteren Kriegstag die Unterstützung des Volkes verlöre, und es begrüßenswert sei, wenn der Kaiser etwas gegen diesen Treueverlust durch die Anbringung der Inschrift unternehmen würde, ließ Wilhelm II. antworten, dass er keineswegs eine ausdrückliche Genehmigung für die Inschrift erteilen werde, aber sollte die "Reichstagsausschmückungskommission" beschließen, die Inschrift anzubringen, würde er dagegen keine Bedenken mehr erheben.

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11.10.14

[ #architektur ] Neues Wohnen im Araberdorf.

Unter der künstlerischen Leitung von Ludwig Mies van der Rohe hatten in den zwanziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts 17 Architekten aus Deutschland, Holland, Österreich und der Schweiz demonstriert, was "neues Wohnen" heißen kann. 



Zwar schmucklos und ohne Ornament bildet die kubische Architektur der Weissenhofsiedlung ein Kleinod moderner Baukunst. Ihre Sprache ist auf die reinste Form der Grammatik beschränkt, so dass die "Gebäude ohne Verkleidung" das Zeugnis einer revolutionären architektonischen Konzeption darstellen. Dabei sollte ein Minimum an Form dem modernen Menschen ein Maximum an Freiheit gewährleisten. Die Weißenhof-Siedlung umfasste 21 Häuser mit 63 Wohnungen, die – obwohl im Inneren durchaus unterschiedlich – nach außen hin ähnlich formstreng gestaltet waren.


Die Form folgt hier der Funktion. Diese Formel bildet das Richtmass für die Architektur der Weissenhofsiedlung, welche die Bauaufgabe verfolgte, die Wohnung des modernen Grosstadtmenschen zu schaffen. Grundstücke und Baufinanzierung wurden damals von der Stadt Stuttgart bereit gestellt. In der Reihe der Werkbund-Ausstellungen in den 20er und 30er Jahren des 20. Jahrhunderts war die Weissenhofsiedlung zweifellos diejenige mit der stärksten internationalen Ausstrahlung und der größten Auswirkung auf die Verbreitung des Neuen Bauens als architektonischer Ausdruck der Moderne. Das damalige Besucherinteresse war unvorstellbar groß. Zwischen dem 23. Juli und dem 30. Oktober 1927 pilgerten 500.000 Besucher in die Siedlung.


Die Nationalsozialisten hingegen erklärten die Weissenhofsiedlung zum Schandfleck Stuttgarts. Sie schmähten die Weissenhof-Siedlung als "Araber-Dorf", und im Amtsblatt der Stadt Stuttgart war zu lesen, "dass die Weissenhofsiedlung, für welche der Deutsche Werkbund verantwortlich zeichnet, der deutlichste Beweis für den Niedergang der deutschen Baugesinnung während der Nachkriegszeit ist. Es besteht ein öffentliches Interesse aller Deutschgesinnten, solche weltbürgerlichen Versuche zu verhindern." Die Architekten wurden als Vertreter des Kultur – Bolschewismus diffamiert. 1939 erklärte sich die Stadt Stuttgart mit dem Verkauf der Grundstücke an das Deutsche Reich und dem Abriss der Siedlung einverstanden. Zu dem geplanten Neubaukomplex des Heeres kam es aufgrund des Kriegsbeginns später nicht, jedoch gingen zehn Häuser im Mittelteil der Siedlung 1944 bei einem Luftangriff verloren. Nach Kriegsende wurde die Siedlung sträflich vernachlässigt. Im Wiederaufbau nach dem Krieg schien die Verfemung im Dritten Reich nachzuwirken.

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28.9.14

[ #architektur ] Innovativ: Künstler = Lehrer = Unternehmer.

Legendär ist die Lehrtätigkeit von  Jean Prouvé zwischen 1958 bis 1971 am Conservatoire national des arts et métiers in Paris, welche die nachfolgende Architektengeneration beeinflusst. Konstruktive Vernunft, neueste Techniken der Materialbearbeitung und Unternehmungsgeist - drei Eigenschaften, die Zeit seines Lebens als Grundsatz beherzigt wurden und die Vorbild für ganze Heerscharen von Designern wurden.

Von großer Bedeutung ist der nicht ausgeführte Entwurf für einen Busbahnhof in La Villette (1933), der in Gänze aus gefaltetem Stahlblech hätte bestehen sollen: Eine Vorwegnahme des Aéro-Club in Buc (1936) und der Maison du Peuple (Haus des Volkes) in Clichy. Die Maison du Peuple in Clichy (1939) zeigt exemplarisch Prouvés Fähigkeit, noch für die komplexesten Bauvorgaben eine einfache, funktionsfähige Lösung zu finden. Das modulable Gebäude dient wahlweise als Kino- oder Ballsaal für 500 Personen, als großer Saal für 2000 Zuschauer oder als Markthalle. Dies wird dank dem abnehmbaren Fußboden im ersten Stock möglich: Ohne ihn hat man ein Atrium mit Umläufen (das Glasdach kann zudem wie ein horizontales Schiebefenster geöffnet werden, um den Markt unter freiem Himmel abzuhalten). Mit dem Fußboden entsteht ein großer oder - dank beweglichen Trennwänden - kleiner Saal.


Der Avantgardist war während des II. Weltkrieges in der Résistance aktiv und nach dem Rückzug der deutschen Besatzer für kurze Zeit Bürgermeister von Nancy. 1944 öffnet Prouvé seine Ateliers in Maxéville bei Nancy, in denen er bis zur Mehrheitsbeteiligung der französischen Aluminium-Gesesellschaft eine auf der finanziellen und kreativen Mitbeteiligung der Angestellten begründete Form der Arbeitsteilung perfektioniert, die ihrer und wohl auch wieder unserer Zeit weit voraus ist. 110 Arbeiter und 60 Angestellte entwickeln in enger Verknüpfung zwischen Büro und Ausführung zahlreiche Prototypen wie Fassaden, Dachelemente wie Schalen oder Sheds, ganze Häuser, leichte Vorhangfassaden. Dort erforscht er neben industriell gefertigten Metallhäusern und vielem mehr die Möglichkeiten des "Mur-rideau", der "Vorhangfassade" die er gegen 1930 mit erfunden hat: Während die tragenden Strukturen ins Innere des Gebäudes verlagert sind und dort z. B. die Sanitär- oder Küchenanlagen aufnehmen, hat die Fassade sich anderen Problemen zu stellen, wie Wärmeisolierung, Licht, Belüftung, Sonnenschutz, Ästhetik.


Trotz Rationalisierung und industrielle Organisation gab es kein Fließband, gleiche Konstruktionen wichen beträchtlich von einander ab und erlaubten Individualisierung und Verbesserung. Die Innovationskraft und der Ideenreichtum von Jean Prouvè kannte keine Grenzen und machte auch vor Häuser "ab Werk" keinen Halt. Am Höhepunkt seiner Fertigung beschäftigten die "Société des Ateliers Jean Prouvè" 250 Arbeitnehmer. Doch zum 1. Juli 1953 scheidet Jean Prouvé aus seiner Firma aus, als die französische Aluminium-Gesellschaft die Mehrheitsbeteiligung an seiner Firma übernimmt, die 1956 den Namen wechselt und 1981 geschlossen wird. Der Hauptaktionär "Aluminium Francais" fordert die Vereinheitlichung der Produktion. Trotz der Übernahme bleibt Jean Prouvé die treibende, innovative Kraft. Er scheitert jedoch an der Verwaltung und Produktionsorganisation.

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3.9.14

[ #geschichte ] Architektur zwischen Kasernen- und Kaiserhof

Auf Empfehlung seines Pariser Architekturlehrers Franz Christian Gau wurde Gottfried Semper überraschend als Professor für Baukunst und Vorstand der Dresdner Bauschule berufen.

15 Jahre wirkte er als Professor und Direktor der Bauschule, als vielbeschäftigter Architekt, Designer, Städteplaner, Gutachter, Denkmalpfleger in Dresden. Kritische Stimmen merkten bei seiner Bestellung an, dass er noch gar nichts gebaut habe. In kürzester Zeit lieferte Semper Entwürfe für die bedeutendsten Bildungsbauten seiner Zeit: ein Museum und ein Theater.


Sein erstes Hoftheater wurde am 12. April 1841 mit Webers "Jubelouvertüre" und Goethes "Torquato Tasso" eröffnet, fiel aber 1869 einer Brandkatastrophe zum Opfer. Handwerker waren in einem Kulissenlager über dem Zuschauerraum mit der Reparatur der defekten Gasleitungen beschäftigt. Weil der Kleber dafür so unangenehm roch, hatten sie Räucherzeug aufgestellt. Ein Funken schließlich setzte das Haus in Flammen. Nach Drängen der Dresdner Bürgerschaft beauftragte König Johann den bis 1863 gebannten Revolutionär ein Jahr nach der Brandkatastrophe mit dem Entwurf für ein zweites Opernhaus, das 1871 bis 1878 unter Leitung seines Sohnes Manfred gebaut wurde.


Kaum jemand weiß, dass er auch ganz profane Objekte entwarf und begeleitete, so zum Beispiel die Kaserne in Bautzen. Sein einziger Sakralbau - die Synagoge in Dresden - wurde in der Pogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 in Brand gesteckt und später auf Kosten der jüdischen Gemeinde abgetragen. Die Synagoge in Dresden war Vorbild für andere Synagogenbauten des 19. Jahrhunderts. 1869 schaltete man ihn als Gutachter für den Bau der Wiener Hofmuseen ein. Er entwarf ein riesiges "Kaiserforum", von dem die neue Hofburg, das Kunsthistorische und das Naturhistorische Museum sowie das Burgtheater (samt Kulissendepot) ausgeführt wurden. 1871 übersiedelte er nach Wien, 1876 zog er sich aus der Bauleitung zurück und verbrachte den Rest seines Lebens meist in Rom.


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27.8.14

[ #architektur ] Trichterstadt

Das  "Intrapolis"-Konzept des Schweizer Architekten Walter Jonas sah für das Jahr 2000 Trichterstädte vor. Dabei würden drei Dutzend 40-stöckige, sich zum Boden hin verjüngende Trichterhäuser in der je 6000 Personen eine menschenwürdige Unterkunft finden sollten, von 120 Meter am Boden auf 230 Meter Durchmesser in der Höhe anwachsen.


So sehr diese Megastadt-Visionen eine zeitgenössische Perspektive hatten, so sehr waren sie auch Geschichte. Der Film "Metropolis" von Fritz Lang 1922 gedreht, ist die Mutter aller Stadtvisionen. Fritz Lang selbst hat sich ebenfalls inspirieren lassen, von dem Bild "Turmbau zu Babel" etwa, von Pieter Breughel im 16. Jahrhundert gemalt. Auch schon in den 20er Jahren entwarf der russische Konstruktivist El Lissitzky "Wolkenbügel" für Moskau, Superhochhäuser, die über den Wolken auskragten.


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11.8.14

[ #architektur ] "Verwelschung".

Im 16. und 17. Jahrhundert wanderten zahlreiche Italiener, zu jener Zeit "Welsche" genannt, in den steirischen Raum ein. Diese "Welschen" kamen vorwiegend aus dem Herzogtum Mailand, aus den südöstlichen Regionen der Schweiz und der Republik Venedig; weiters aus den südlichen Gebieten Innerösterreichs sowie aus den Hafenstädten Triest und Fiume/Rijeka.

Auffällig dabei ist, dass die Mehrheit der Bau- und Künstlerfamilien aus Como, dem nordwestlichen Teil der Lombardei, stammten. Diese sogenannten Comasken kamen vor allem in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts in großer Zahl in das Herzogtum Steiermark.


Unter Domenico dell´Allio entstand auch eine Art Baumeisterschule, die in der Steiermark und an der sogenannten slawonisch-kroatischen Militärgrenze wirkte. Von Mitte des 16. bis zum Ende des 17. Jahrhunderts zählt man an die einhundertzwanzig italienischen Baumeister, die in der Mittel- und Untersteiermark tätig waren.

Diese Dominanz italienischer Bauleute wurde von den steirischen missmutig zur Kenntnis genommen. In der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts hatten die Italiener auch in der Maurer- und Steinmetzzunft die führende Position inne. 1638 beispielsweise bestand der Zunftvorstand aus elf italienischen und nur einem steirischen Meister. Mit der Stelle des Hofbaupoliers wurden zwischen 1565 und 1663 ausschließlich Italiener betraut.

Domenico dell´Allio war der Doyen einer Schule von über hundert Comasken, die er mit sich gezogen hatte und die im 16. Jahrhundert an vielen Festungen zur Abwehr türkischer Expansion aber auch an anderen Bauwerken in Österreich, Kroatien und Slawonien gearbeitet haben. Deutsche Namen nehmen sich in der Vielzahl der italienischen Baumeister in dieser Zeit als Seltenheit aus, und man hat deshalb von der "Verwelschung der Baumeisterzunft" gesprochen.

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29.6.14

[ #architektur ] Neue Welle: Der Steinmetz als Friseur

Mit viel Esprit versteht es Gian Lorenzo Bernini, Kurie und Päpste so von seinen künstlerischen Plänen zu überzeugen als wären sie die ihren. 

Sein wichtigster Förderer, Papst Urban VIII., betraut den jungen Bernini mit dem Bau des Baldachins für den Papstaltar im Petersdom, den Bernini aus Bronze anfertigt (1624-33). Für den Hochadel des Kirchenstaates errichtet oder verschönert er in den Nobelbezirken Roms Paläste, z.B. Palazzo Barberini respektive Palazzo Chigi. Ein kluger Schachzug, schließlich haben die Barberini und Chigi mit Urban VIII. (Pontifikat: 1624-44) und Alexander VII. (1655-67) Familienmitglieder auf den Stuhl Petri gehievt.

Aber der eloquente Künstler wusste auch Pontifex Innozenz X. (1644-55), aus dem mit den Barberinis verfeindeten Haus der Pamphili, in seinen Bann zu ziehen. Als Berninis Fontana dei Quattro Fiumi (Vierstrombrunnen) am 14. Juni 1651 nach dreijähriger Bauzeit von Innozenz enthüllt wird, soll der Papst derart entzückt gewesen sein, dass er das Bauwerk eine volle Stunde von allen Seiten inspizierte.


Jules Mazarin, späterhin Kardinal und Erster Minister Frankreichs, lädt Bernini ein, nach Paris zu kommen. Anfangs will Alexander VII., der im Streit mit dem nationalistischen Kardinal liegt, seinen göttlichen Designer nicht gehen lassen. Einen Trakt des Louvre soll er in Paris verschönern, doch die künstlerische Expedition scheitert am praktisch veranlagten Finanzminister Colbert, der wenig übrig hat für pompösen, aber wenig funktionalen Barock hat. Seine Entwürfe für den Neubau des Louvre (1664-67) in Paris haben, obwohl sie letztlich nicht ausgeführt wurden, doch nachhaltigen Einfluss auf die europäische Profanbaukunst ausgeübt. Schlussendlich meißelt er den Sonnenkönig in Positur, richtet diesem dafür das Haar zurecht, er muss "die Stirn zeigen" und alsbald wird diese Haartracht zur höfischen nouvelle vague.

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11.6.14

[ #architektur ] Kulturtransfer dank Migration.

Ungeachtet ihrer enormen Bedeutung behandelte die österreichische Kunsthistoriographie die austroitalienischen Künstler lange Zeit stiefmütterlich. 

Irregeleitet von der engstirnig aufgefassten Kunstnationalität hielt unsere Forschung die Jahrhunderte zwischen der deutschen Renaissance und dem Auftreten der Künstlergeneration von Fischer von Erlach, Andreas Schlütter oder Johann Michael Rotmayr für eine dunkle Periode, die man nur mit Verlegenheit behandelte. Die Bedeutung der italienischen Künstler für die Verbreitung des antiken Erbes sowie der mediterranen Kultur in den Ländern nördlich der Alpen kann kaum hoch genug geschätzt werden.



Seit dem Ende des 15. Jahrhunderts strömten italienische Künstler nach Österreich. Am Anfang wurden sie in dem seit 1529 unmittelbar von der Expansion des osmanischen Reiches bedrohten Land vor allem als Baumeister von Befestigungsanlagen geschätzt. Bald konnten sie sich auch im Bereich der "architectura civilis" und in allen anderen Kunstgattungen durchsetzen. Vorteilhaft und von grundlegender Bedeutung für ihren Erfolg zeigte sich auch die um sich greifende und alle Gesellschaftsschichten erfassende "italianità" der frühneuzeitlichen Gesellschaft. Die "italianità" setzte sich in der Literatur, in der Musik, im Theater, in der Architektur und in der bildenden Kunst durch und wurde zur universellen Sprache des politisch und konfessionell gespaltenen Kontinents.


Der italienische Künstlerstrom nahm während des 17. Jahrhunderts gewaltig zu und gipfelte vor der zweiten osmanischen Belagerung Wiens 1683. Damals hatten die italienischen Künstler in unseren Ländern eine unumstrittene Vormachtsstellung. Vor den anrückenden Türken verließen jedoch manche in Wien ansässigen Italiener 1683 das Land und kehrten nicht mehr zurück. Ihre Monopolstellung in der österreichischen Kunstszene war gebrochen und wurde nicht mehr wiederhergestellt. Seit dem 18. Jahrhundert beeinflussten neben der "italianità" zunehmend Impulse aus Paris die österreichische Kultur und später setzte sich in Mitteleuropa die angloamerikanische Globalkultur der Gegenwart durch.

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29.4.14

[ #technik ] Alles Theater: Die Entdeckung der Winkelperspektive.

Durch die Einführung der Diagonalperspektive hat der Architekt und Theaterdekorationsmaler Ferdinando Galli da Bibiena die illusionistische Bühnenarchitekturmalerei revolutioniert. 

In seinem 1711 erschienenen Lehrbuch "Architettura Civile" propagierte Ferdinando Galli-Bibiena die Verlegung des zentralen Fluchtpunktes auf die Seite außerhalb des Betrachters und wurde zum Überwinder streng symmetrischer Kulissen. Das galt nicht nur für das Bühnenbild, sondern für Architektur schlechthin bis zur Grabstätte. Auch das streng symmetrische Kulissengrab musste sich danach verabschieden. Das bis dahin starre Bühnenbild konnte mit der Einführung der Diagonalperspektive belebt werden und ließ die Opern in noch größerem Glanz erscheinen. Mit seinen revolutionären Konstruktionsmethoden überwand er die obsolet gewordene Zentralperspektive und zwang zu einer neuen Perzeption des Bühnenraumes.


Galli-Bibienas Diagonal- bzw. Winkelperspektive stellte die Hauptachse des Bühnenbildes in einen Winkel von 45° quer zur Achse des Zuschauerraums. Dadurch wurden die Bühnenräume nur angeschnitten und zwangen die Vorstellungskraft der Zuschauer zu ihrer Vollendung. Dadurch entstanden kolossale Raumfluchten. Es ist der Höhepunkt des barocken Bühnenbildes, den man der Familie Galli-Bibiena verdankt. Das von Ferdinando Galli-Bibiena geschaffene Bühnenbild, das auf der Bühne den schräg über Eck gestellten Raum realisiert, wird von seinem Sohn Giuseppe Galli-Bibiena (1696–1756) noch erweitert und vertieft, die Effekte mit Hilfe polygonaler Raumsysteme verstärkt.

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10.3.14

[ #architektur ] Backsteinarchitektur

Schinkel beschreibt die Verwendung des Materiales so: Der Bau ist in Backstein ausgeführt und bleibt in seinem Äußeren ohne Übertünchung und Abputz. 

Das Material ist deshalb mit besonderer Sorgfalt bearbeitet worden, alle Gliederungen und Simswerke, alle Ornamente und Basreliefs, die hermenartigen Stützen in den breiten Fenstern und die von ihnen getragenen Bogenausfüllungen sind in gebrannter Erde auf das genaueste ausgeführt und in den Bau selbst erst jedes Mal dann eingetreten, wenn die rohe, aber sorgsam ausgeführte Construktion ihnen ihren Platz gesichert und jeden Druck des sich setzenden Mauerwerks von ihnen abgewiesen hatte.


Durch die ganze Façade ist jedesmal in regelmäßiger Höhe von fünf Steinschichten eine Lagerschicht von glasürten Steinen in einer sanften, mit dem Ganzen harmonischen Farbe angeordnet, theils um die röthliche Farbe der Backsteine in der Masse etwas zu brechen, theils um durch diese horizontalen Linien, welche das Lagerhafte des ganzen Baues bezeichnen, eine architektonische Ruhe zu gewinnen.


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