28.9.14

[ #architektur ] Innovativ: Künstler = Lehrer = Unternehmer.

Legendär ist die Lehrtätigkeit von  Jean Prouvé zwischen 1958 bis 1971 am Conservatoire national des arts et métiers in Paris, welche die nachfolgende Architektengeneration beeinflusst. Konstruktive Vernunft, neueste Techniken der Materialbearbeitung und Unternehmungsgeist - drei Eigenschaften, die Zeit seines Lebens als Grundsatz beherzigt wurden und die Vorbild für ganze Heerscharen von Designern wurden.

Von großer Bedeutung ist der nicht ausgeführte Entwurf für einen Busbahnhof in La Villette (1933), der in Gänze aus gefaltetem Stahlblech hätte bestehen sollen: Eine Vorwegnahme des Aéro-Club in Buc (1936) und der Maison du Peuple (Haus des Volkes) in Clichy. Die Maison du Peuple in Clichy (1939) zeigt exemplarisch Prouvés Fähigkeit, noch für die komplexesten Bauvorgaben eine einfache, funktionsfähige Lösung zu finden. Das modulable Gebäude dient wahlweise als Kino- oder Ballsaal für 500 Personen, als großer Saal für 2000 Zuschauer oder als Markthalle. Dies wird dank dem abnehmbaren Fußboden im ersten Stock möglich: Ohne ihn hat man ein Atrium mit Umläufen (das Glasdach kann zudem wie ein horizontales Schiebefenster geöffnet werden, um den Markt unter freiem Himmel abzuhalten). Mit dem Fußboden entsteht ein großer oder - dank beweglichen Trennwänden - kleiner Saal.


Der Avantgardist war während des II. Weltkrieges in der Résistance aktiv und nach dem Rückzug der deutschen Besatzer für kurze Zeit Bürgermeister von Nancy. 1944 öffnet Prouvé seine Ateliers in Maxéville bei Nancy, in denen er bis zur Mehrheitsbeteiligung der französischen Aluminium-Gesesellschaft eine auf der finanziellen und kreativen Mitbeteiligung der Angestellten begründete Form der Arbeitsteilung perfektioniert, die ihrer und wohl auch wieder unserer Zeit weit voraus ist. 110 Arbeiter und 60 Angestellte entwickeln in enger Verknüpfung zwischen Büro und Ausführung zahlreiche Prototypen wie Fassaden, Dachelemente wie Schalen oder Sheds, ganze Häuser, leichte Vorhangfassaden. Dort erforscht er neben industriell gefertigten Metallhäusern und vielem mehr die Möglichkeiten des "Mur-rideau", der "Vorhangfassade" die er gegen 1930 mit erfunden hat: Während die tragenden Strukturen ins Innere des Gebäudes verlagert sind und dort z. B. die Sanitär- oder Küchenanlagen aufnehmen, hat die Fassade sich anderen Problemen zu stellen, wie Wärmeisolierung, Licht, Belüftung, Sonnenschutz, Ästhetik.


Trotz Rationalisierung und industrielle Organisation gab es kein Fließband, gleiche Konstruktionen wichen beträchtlich von einander ab und erlaubten Individualisierung und Verbesserung. Die Innovationskraft und der Ideenreichtum von Jean Prouvè kannte keine Grenzen und machte auch vor Häuser "ab Werk" keinen Halt. Am Höhepunkt seiner Fertigung beschäftigten die "Société des Ateliers Jean Prouvè" 250 Arbeitnehmer. Doch zum 1. Juli 1953 scheidet Jean Prouvé aus seiner Firma aus, als die französische Aluminium-Gesellschaft die Mehrheitsbeteiligung an seiner Firma übernimmt, die 1956 den Namen wechselt und 1981 geschlossen wird. Der Hauptaktionär "Aluminium Francais" fordert die Vereinheitlichung der Produktion. Trotz der Übernahme bleibt Jean Prouvé die treibende, innovative Kraft. Er scheitert jedoch an der Verwaltung und Produktionsorganisation.

[text4tube⇒]