11.7.14

[ #zensur ] Laubsägekunst als sexuelle Begierde

Zum Schmunzeln ist folgender Zeitungsbericht (Münchner Neueste Nachrichten 463 (4.10.1904), Zeitungsausschnitt gesammelt in StaatsA Mü: Pol.dir. München 1110.): "pr. Lex Heinze. In der Ackermannschen Buchhandlung in München erschien dieser Tage ein Schutzmann und verlangte, dass ein Buch "Liebhaberkünste" aus der Auslage entfernt werde. Offenbar hatte der Schutzmann Ovids "Ars Amandi" gelesen. Die Liebhaberkünste bei Ackermann waren jedoch ein Buch über ... Laubsägearbeiten. 

Lex Heinze.  "Lex Heinze heißt die auf Anregung des Kaisers aus Anlass der Berliner Gerichtsverhandlung gegen den Zuhälter Heinze und dessen der Prostitution ergebenen Ehefrau entstandene Anlassgesetzgebung vom 25. Juni 1900 zum deutschen Strafgesetzbuch, welche die Strafvorschriften über Sittlichkeitsverbrechen, insbesondere Kuppelei und Zuhältertum erweitert und ergänzt. In Berlin ist 1981 ein Ehepaar aus dem Rotlichtmilieu wegen Mordes angeklagt. Der Töpfer Gotthilf Heinze und seine Frau Anna, eine Prostituierte, sollen über mehrere Tage ein Mädchen festgehalten, sexuell missbraucht und schließlich getötet haben. Während des Prozesses stellt sich heraus, dass Heinze nicht regelmäßig in seinem Beruf arbeitet, sondern von den Einkünften seiner Frau lebt. Ein Tabu wird öffentlich: Das Geschäft der Prostitution blüht.



Der Kaiser erbricht. Entsetzt tut über das Treiben seiner arbeitsamen Untertanen ist vor allem der Kaiser. Er bringt eine Gesetzesinitiative auf den Weg und fordert, dass Zuhälter strafrechtlich belangt werden sollen. Der erste Entwurf vom 29. Februar 1892 kam im Reichstag nicht einmal zur ersten Lesung. Im Winter 1892/93 ging der Entwurf dem Reichstag in gleicher Gestalt wieder zu. Er wurde von einer Kommission eingehend beraten. Mit 15 gegen 6 Stimmen lehnte sie den Teil des Entwurfs ab, der die Prostitution kasernieren, also die Wiederzulassung öffentlicher Häuser ermöglichen sollte. Dagegen fügte sie außer andern Zusätzen und Verschärfungen den sogenannten Arbeitgeberparagraphen ein, der die Arbeitgeber oder Dienstherren mit Strafe bedrohte, die unter Missbrauch des Arbeits- oder Dienstverhältnisses ihre Arbeiterinnen zur Duldung oder Verübung unsittlicher Handlungen bestimmen, ferner einen Paragraphen, der Ansteckung durch Geschlechtskrankheit mit Strafe bedroht. Indes kam der Entwurf über die Kommissionsberatung nicht hinaus. In den folgenden Sitzungsperioden brachte das konservative Zentrum dann den Kommissionsentwurf als eignen Antrag ein.

Kein Arbeitnehmerschutz. In der Session 1899/1900 kam auch die Regierung wieder mit einem neuen Entwurf vor den Reichstag. Eine Kommission verband ihn mit dem Zentrumsantrag. Über die auf Kuppelei und Zuhältertum bezüglichen Bestimmungen herrschte Einverständnis. Die Regierung erklärte aber den Arbeitgeberparagraphen für unannehmbar, da er zu unbegründeten Strafanträgen seitens eines eifer- und rachsüchtigen Personals führen könnte, ebenso für unannehmbar, dass die Altersgrenze für die strafbare Verführung eines unbescholtenen Mädchens von 16 auf 18 Jahre hinaufgesetzt werde. Anderseits wurde der Antrag der Regierung abgelehnt, wonach die Vorschriften über Kuppelei und Zuhältertum keine Anwendung finden sollen auf die Vermietung von Wohnungen an Frauenspersonen, die gewerbsmäßig Unzucht treiben, sofern damit nicht eine Ausbeutung des unsittlichen Erwerbes der Mieterin verbunden ist.

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