28.9.14

[ #bildende-kunst ] Eine Räuber- und Mörderbande organisiert die beste Ausstellung moderner Kunst

Im Gegensatz zu den "Goldenen Zwanziger Jahren", in denen das kulturelle Leben in Deutschland aufblühte, kam es nach der Machtergreifung Hitlers 1933 zu einer Verödung der deutschen Kultur. Die berühmtesten Repräsentanten deutscher Kultur verließen sehr bald ihr eigenes Land. Es war ein unbeholfener Rückschritt ins 19. Jahrhundert im Dienst einer völkischen Kunstideologie. Was es dort auch zu sehen gab: Propagandakitsch, neun Führerbildnisse in Öl und Bronze.



Für ausländische Künstler und Werke der Moderne ist dahingegen kein Platz. Sie werden in einer zeitgleich in München eröffneten Propagandaausstellung über "entartete Kunst" verspottet. Diese Ausstellung, "Entartete KunstJ", wird am 19. Juli 1937 in München eröffnet und zeigte 650 konfiszierte Kunstwerke aus 32 deutschen Museen. Am Tag nach der Eröffnung titelt der "Völkische Beobachter", es ist der 20. Juli 1937, auf seiner ersten Seite: "Deutsches Volk, urteile selbst! Entartete Kunst am Pranger" (Als ob es noch selber urteilen hätte dürfen). Die Nazipresse sprach von einem "Leichenschauhaus voller Selbstmörder, Irrer, Krüppel und verblödeter Alkoholiker". Am Pranger stehen Kokoschka und Beckmann, Dix und Grosz, Nolde, Kirchner und Kandinsky, Klee, Schlemmer und viele andere, mithin die Crème der deutschen Kunst. Bis April 1941 wanderte sie in zwölf weitere Städte. Sie zog über 3 Millionen Besucher an. Tatsächlich hatte selbst das NS-Regime nicht mit diesem enormen Besuchandrang für die Ausstellung gerechnet. Damit ist sie - Ironie der Geschichte - bis heute die bestbesuchte Ausstellung moderner Kunst in Deutschland.


 Insgesamt beschlagnahmte das Reichspropagandaministerium 1937 über 16.000 "entartete" Kunstwerke aus dem Bestand deutscher Museen. Auch private Dauerleihgaben waren betroffen. Vieles davon verkaufte man ins Ausland, vor allem in die neutrale Schweiz, die sich bald zur Drehscheibe des Handels für die von den Nazis geraubte Kunst entwickelte. Der Erlös der Auktionen und Tauschgeschäfte diente dem Ankauf von Kunstwerken für das geplante "Führermuseum" in Linz sowie die Privatsammlungen hochgestellter Nazifunktionäre, allen voran Hermann Göring. So wurden am 30. Juni 1939 durch die Galerie Fischer in Luzern mehr als 3000 von den Nazis konfiszierte Aquarelle, Zeichnungen und grafische Blätter öffentlich versteigert. Auf diese Weise gelangten diese aus deutschen Museen geraubten Kunstwerke, nicht selten zum "Schnäppchenpreis", in Museen und Privatsammlungen überall in der Welt. Mindestens 1000 der nach NS-Maßstäben "entarteten" Gemälde sowie 3800 Zeichnungen, Aquarelle und Grafiken wurden im März 1939 im Hof der Berliner Hauptfeuerwache verbrannt.


München war 1919/1920 der Gründungsort der NSDAP und bis 1945 Sitz ihrer Reichsleitung. Hier starteten Hitler und andere maßgebliche Akteure des NS-Regimes ihre politische Laufbahn. Seit 1933 trug München den Titel "Hauptstadt der Deutschen Kunst" und seit 1935 "Hauptstadt der Bewegung". Hier wurden rassistische und militärische Angriffsprogramme entworfen, die Ausschaltung der politischen Opposition und unliebsamer Kunstrichtungen betrieben, mit Dachau eines der ersten Konzentrationslager errichtet und die systematische Verfolgung des Judentums in Gang gesetzt. Wer Widerstand leistete, wurde verfolgt, gefoltert oder hingerichtet. Für die Nationalsozialisten sollte München die führende Kunststadt des Reiches sein. Eines der ersten Bauprojekte nach der Machtübernahme war daher die Errichtung des "Hauses der Deutschen Kunst" nach Plänen des Architekten Paul Ludwig Troost. Der 1931 abgebrannte Glaspalast an der Sophienstraße sollte durch einen nationalsozialistischen "Kunsttempel" ersetzt werden. Hier war der totalitäre Anspruch auf die "richtige Kunst" zu verwirklichen. Die erste "Große Deutsche Kunstausstellung" wurde zu dessen Eröffnung 1937 präsentiert.

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