10.7.14

[ #malerei ] Von der ersten Secession zur Kitschindustrie oder Konzeptkunst.

Johann Friedrich Overbeck gilt als die treibende Kraft der Lukasbrüder ("Nazarener"). 

Seine Kunstauffassung ist von tiefer Religiosität geprägt, die ihm in seinem Elternhaus vermittelt worden war. Er machte sein religiöses Gefühl zum Fundament seiner Kunstübung, die Autonomie der Kunst hielt er für einen Irrweg, dem man durch die Rückkehr in die ursprüngliche Abhängigkeit von der Religion begegnen müsse. Overbeck hatte sich zum Ziel gesetzt, das religiöse Bild zu erneuern. Ein Problem, das er dabei zu überwinden hatte, war, einen Ort für seine Bilder zu finden, da von Seiten der Kirchen, der evangelischen wie der katholischen, in der Zeit der Napoleonischen Kriege keine Aufträge zu erwarten waren. Ein Ausweg war in dieser Situation das der persönlichen religiösen Erbauung dienende Andachtsbild.

Durch diese protesthafte Haltung vom weiteren Besuch der Wiener Akademie ausgeschlossen, zog die Gruppe 1810 als so genannte "Lukasbrüder" nach Rom, wo sie nach geraumer Zeit das von Napoleon I. säkularisierte Kloster Sant′Isidoro auf dem Monte Pincio als Unterkunft erhielten. Dort lebten sie in klösterlicher Gemeinschaft als eine Art Mönchsorden, schliefen in den Mönchszellen und malten im Refektorium. Auf diesen Ausgangspunkt beruhend strebten sie als Grundlage ihrer Gemeinschaft auf der menschlichen Seite persönliche Redlichkeit und freundschaftliche Treue, ein hohes Verantwortungsgefühl, Selbstdisziplin und freimütige gegenseitige Kritik auf der arbeitsmäßigen Seite an.

Für sie stand fest, dass Religion und Nationalität die originären Grundpfeiler der Kunst seien und dass die Kunst nicht von diesen getrennt werden könne. Da jedoch die Kunst ihrer Überzeugung nach in Deutschland völlig heruntergekommen war und einer Erneuerung bedurfte, war ihr Ziel die Schaffung einer "religiös-patriotischen" Kunst. Aber nicht die absolute Freiheit wurde erstrebt, wie man vielleicht meinen könnte, sondern man bemühte sich um neue Vorbilder aus der Vergangenheit. In den altdeutschen Meistern wie Dürer, aber auch in den Italienern Perugino, Michelangelo und vor allem Raffael fanden sie ihre künstlerischen Ideale. Im absoluten Mittelpunkt des Kreises standen jedoch Albrecht Dürer und Raffael, letztere galt als Inbegriff des religiösen Künstlers.



Kitschindustrie. Die nazarenische Ästhetik ist durch die endlose Reproduktion entrückter Heiliger und erbaulicher biblischer Szenen hemmungslos der Kitsch-Industrie anheim gefallen. Schwerlich lässt sich die Nachgeschichte von den Ursprüngen trennen, am ehesten noch bei den nichtreligiösen Sujets, vor allem den Freundschaftsbildern. Die jungen Rebellen, die von der Wiener Kunstakademie ausgeschlossen wurden und die erste Sezession der Kunstgeschichte bildeten, haben sich gegenseitig gemalt, gerne in altdeutscher Tracht.

Man macht sich heute viel Mühe, die Nazarener, die ihre weiteste Verbreitung im Kitsch der Andachtsbilder fanden, gar als Vorläufer der Moderne oder eben wieder als modern zu artikulieren. Modern verstanden werden sie nicht nur als die ersten Sezessionisten sondern geradezu als Konzeptkünstler, als Vorläufer von Beuys, die Leben und Kunst vereinen. Und in Zeiten, da der Fundamentalismus bis in die Wirtschaftstheorien Hof hält, da wird dieser Fundamentalismus als Renaissance der Religiosität verharmlost.

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