11.10.14

[ #architektur ] Neues Wohnen im Araberdorf.

Unter der künstlerischen Leitung von Ludwig Mies van der Rohe hatten in den zwanziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts 17 Architekten aus Deutschland, Holland, Österreich und der Schweiz demonstriert, was "neues Wohnen" heißen kann. 



Zwar schmucklos und ohne Ornament bildet die kubische Architektur der Weissenhofsiedlung ein Kleinod moderner Baukunst. Ihre Sprache ist auf die reinste Form der Grammatik beschränkt, so dass die "Gebäude ohne Verkleidung" das Zeugnis einer revolutionären architektonischen Konzeption darstellen. Dabei sollte ein Minimum an Form dem modernen Menschen ein Maximum an Freiheit gewährleisten. Die Weißenhof-Siedlung umfasste 21 Häuser mit 63 Wohnungen, die – obwohl im Inneren durchaus unterschiedlich – nach außen hin ähnlich formstreng gestaltet waren.


Die Form folgt hier der Funktion. Diese Formel bildet das Richtmass für die Architektur der Weissenhofsiedlung, welche die Bauaufgabe verfolgte, die Wohnung des modernen Grosstadtmenschen zu schaffen. Grundstücke und Baufinanzierung wurden damals von der Stadt Stuttgart bereit gestellt. In der Reihe der Werkbund-Ausstellungen in den 20er und 30er Jahren des 20. Jahrhunderts war die Weissenhofsiedlung zweifellos diejenige mit der stärksten internationalen Ausstrahlung und der größten Auswirkung auf die Verbreitung des Neuen Bauens als architektonischer Ausdruck der Moderne. Das damalige Besucherinteresse war unvorstellbar groß. Zwischen dem 23. Juli und dem 30. Oktober 1927 pilgerten 500.000 Besucher in die Siedlung.


Die Nationalsozialisten hingegen erklärten die Weissenhofsiedlung zum Schandfleck Stuttgarts. Sie schmähten die Weissenhof-Siedlung als "Araber-Dorf", und im Amtsblatt der Stadt Stuttgart war zu lesen, "dass die Weissenhofsiedlung, für welche der Deutsche Werkbund verantwortlich zeichnet, der deutlichste Beweis für den Niedergang der deutschen Baugesinnung während der Nachkriegszeit ist. Es besteht ein öffentliches Interesse aller Deutschgesinnten, solche weltbürgerlichen Versuche zu verhindern." Die Architekten wurden als Vertreter des Kultur – Bolschewismus diffamiert. 1939 erklärte sich die Stadt Stuttgart mit dem Verkauf der Grundstücke an das Deutsche Reich und dem Abriss der Siedlung einverstanden. Zu dem geplanten Neubaukomplex des Heeres kam es aufgrund des Kriegsbeginns später nicht, jedoch gingen zehn Häuser im Mittelteil der Siedlung 1944 bei einem Luftangriff verloren. Nach Kriegsende wurde die Siedlung sträflich vernachlässigt. Im Wiederaufbau nach dem Krieg schien die Verfemung im Dritten Reich nachzuwirken.

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