3.6.14

[ #migration ] Hoflakaien und Kammertürken.

Der Bildhauer Christian Daniel Rauch, der seine Karriere als preußischer Hoflakai in Potsdam begann und von Königin Luise besonders gefördert wurde, verbrachte seine letzten zwei Lebensjahre im Freihaus des "Kammertürken Hassan" in Berlin Schloßstraße 6. Daneben (Schloßstraße 4) befand sich das Freihaus des "Kammertürken Aly".

Friedrich I. von Preußen hatte für seine zweite Frau, Sophie Charlotte (Charlottenburg), zwei gefangen genommene Türken, Aly und Hassan, aus der siegreichen Schlacht bei Ofen im Zuge des Kriegs gegen das Osmanische Reich im Jahre 1686 als Leibdiener verpflichtet, nachdem diese zum Christentum konvertiert waren.Hier heiratete er 1694 die Beutetürkin Maruscha, die wie er zum Christentum konvertiert war und nun die Taufnamen Sophie Henriette Elisabeth trug.

Als Kammertürke Sophie Charlottes, die seit 1699 im Schloss Charlottenburg residierte, erhielt Aly ein stattliches Jahresgehalt von 366 Talern und das Freihaus an der Charlottenburger Schloßstraße 4. Die Besitzer der Freihäuser waren landesunmittelbar, sie hatten wie auch alle Bewohner des entsprechenden Gebäudes ihren Gerichtsstand vor dem Landgericht und waren von den städtischen Steuern befreit. Als die Königin 1705 in Hannover starb, galt ihr letzter Gruß den beiden Kammertürken: "Adieu Aly! Adieu Hassan!".


Friedrich Wilhelm I., der spätere "Soldatenkönig", Sohn von Sophie Charlotte, reformierte nach seinem Regierungsantritt 1713 das höfische Leben, ganz nach dem auch heute gültigen Motto der Sparpolitiker, bezahlte Arbeit in Ehrenamt zu wandeln. Er strich Hofbeamte, die er entlassen wollte, stillschweigend aus der Liste, "ließ sie aber ihre Dienste ruhig weiter verrichten und ihre Entlassung nur daran merken, dass ihnen ihr Gehalt gesperrt wurde". Der höfischen Privilegien beraubt, verkaufte Aly 1715 sein Haus in der Schloßstraße und starb 1716. Hassan, in dessen Freihaus Christian Daniel Rauch wohnte, beklagte in mehreren Eingaben an den König, dass er noch immer in Königlichen Diensten stehe, aber seit langer Zeit keine Besoldung mehr erhalten habe 1728 starb Hassan im Alter von 56 Jahren. 1730 verkauften die Erben das Haus.


Götz Haydar Aly. Der Urenkel des "Kammertürken Aly" Ernst August Wilhelm Aly (1768–1825) wurde Lehrer am Friedrichs-Waisenhaus und Pfarrer der reformierten Gemeinden in Jerichow und Ziesar. Spätere Nachkommen sind der Altphilologe Gottfried Friedrich Aly, der Architekt Heinrich Tscharmann und der Historiker Götz Haydar Aly (* 3. Mai 1947 in Heidelberg). Das zentrale Thema seiner wissenschaftlicher Arbeit ist die Geschichte des Holocaust. 2012 wurde er mit Ludwig-Börne-Preis ausgezeichnet.Davor 2002 mit dem Heinrich-Mann-Preis der Akademie der Künste Berlin, und 2003 mit dem Marion-Samuel-Preis der „Stiftung Erinnerung Lindau“. 2007 erhielt er das deutsche Bundesverdienstkreuz am Bande. Besonders verdienstvoll ist seine historiographische Aufarbeitung des 1968er-Mythos: Den anti-bürgerlichen Impetus, die Gewaltbereitschaft, den Antiamerikanismus, den latenten Antisemitismus, das Ausblenden von Kritik an linken Diktatoren.

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