23.3.15

[ #film ] Heilige Nutte

Am 4. Juni 1975 kündigte Rainer Werner Fassbinder als künstlerischer Leiter des Theaters am Turm in Frankfurt fristlos. Seiner Produktivität tat dies keinen Abbruch. Obwohl 1982 verstorben, erfolgte noch am 12. August 1995 eine Uraufführung bei den Bregenzer Festspielen. Sein Erstlingswerk "Nur eine Scheibe Brot" war damit das letzte uraufgeführte Stück.


Warnung vor einer heiligen Nutte. In Frankfurt wollte es nicht zu laufen beginnen. Zum einen konnte Fassbinder wohl nicht so arbeiten wie er wollte, schließlich mischte der Träger des Theaters noch mit, zum anderen schien das alternative Mitbestimmungsprojekt, eine "Nach-68-er-Mode" nicht ganz so geschmiert und selbstverständlich zu fahren, wie es theoretisch wohl gedacht war. Eine Erfahrung, die für Fassbinder nicht gänzlich neu war. Schon sein Start in München beim Action-Theater - durchaus schon erfolgreich auch als Regisseur und Theaterautor - führte im Mai 1968 im Zusammenhang mit der Studentenbewegung zur Auflösung des ActionTheaters und Gründung des "antitheaters". Dieses wiederum hatte sich Anfang 1970 aufgelöst. Einen autobiografischen Stempel trägt in diesem Zusammenhang die 1970 entstandene "Warnung vor einer heiligen Nutte", in der er Spannungen und Aggressionen in einem Filmteam thematisiert. Der Psychoterror auf der Leinwand gerät ihm, wie Betroffene erzählen, durchaus realistisch: Auch Fassbinder habe als unberechenbare Diva grausam und zärtlich sein können. Spätestens Anfang der 70er Jahre gilt der Fußballfan, damals Mitte 20, der Kritik entweder als Enfant terrible oder als "Wunderkind" des Neuen Deutschen Films. "Die bitteren Tränen der Petra Kant", das heikle Melodram "Angst essen Seele auf" oder seine präzise Fontane-Verfilmung "Effi Briest" erregen Aufsehen.


Letzte Uraufführung - erstes Theaterstück. Die letzte Uraufführung eines Fassbinderwerkes fand 1995 bei den Bregenzer Festspielen statt. Das Wiener Volkstheater zeichnete für die Uraufführung des Einakters "Nur eine Scheibe Brot" aus dem Jahre 1966 verantwortlich. Das Manuskript hatte Fassbinders Mutter ein Jahr zuvor mit anderen Texten in einem Küchenschrank entdeckt. In zehn Szenen schildert Fassbinder in seinem ersten Theaterstück die Schwierigkeiten des Regisseurs Hans Fricke, der einen Film über Auschwitz drehen soll und nicht weiß, wie er mit dem Thema umgehen soll. Es ist das Debüt des damals 21jährigen Autors. Je mehr sich der Regisseur in diesem Stück in seiner Rolle mit dem Grauen beschäftigt, desto weiter entfernt er sich von Freunden und Verwandten, bis hin zur Trennung von seiner Freundin. Tatsächlich hatte Fassbinder dies bereits 1966 verfilmt und bei einem Dramenwettbewerb der "Jungen Akademie München" dafür den dritten Preis erhalten.

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