30.6.14

[ #politik ] Kaputte Typen denunzieren.

Am 22. Mai 1979 schrieb der SED-treue Schriftsteller Dieter Noll (an den Genossen Staatsratsvorsitzenden Erich Honecker) und denunzierte Stefan Heym zusammen mit Joachim Seyppel und Rolf Schneider im "Neuen Deutschland" als "kaputte Typen", "die mit dem Staatsfeind kooperieren, um sich billige Geltung zu verschaffen." Die Aktion erweist sich als von langer Hand gelenkt.

"Gegen den Bürger Stefan Heym wurde am 22. Mai 1979 vom Stadtbezirksgericht Berlin-Köpenick wegen Verstoßes gegen das Devisengesetz eine Geldstrafe in Höhe von 9000 Mark ausgesprochen." Dies berichtete die Berliner Zeitung nur einen Tag später in der Kriminalspalte vor der Meldung "Einbrecher in Untersuchungshaft". Der Grund für diese Kriminalisierung war der Umstand, dass Stefan Heym den Roman "Collin" im Frühjahr in der Bundesrepublik veröffentlichte, ohne die DDR-Staatsmacht um Erlaubnis zu bitten. Der DDR-Autor Stefan Heym greift in diesem Roman massiv die stalinistische DDR-Vergangenheit und ihre Verdrängung an.



Die literarischen Ergüsse von Dieter Noll auszugsweise: "Einige wenige kaputte Typen wie die Heym, Seyppel oder Schneider, die da so emsig mit dem Klassenfeind kooperieren, um sich eine billige Geltung zu verschaffen, weil sie offenbar unfähig sind, auf konstruktive Weise Resonanz und Echo bei unseren arbeitenden Menschen zu finden, repräsentieren gewiss nicht die Schriftsteller unserer Republik. Die Partei kann auch überzeugt sein, dass die überall in den Betrieben arbeitenden Menschen unseres Landes die Maßnahmen unserer Regierung billigen und kein Verständnis dafür aufbringen, wie da ein kleiner Klüngel von so genannten Literaten verzweifelt von sich reden machen will, indem er sich vor den Karren des Westfernsehens spannen lässt oder die Partei mit unverschämten offenen Briefen traktiert."

Zivilcourage. Stefan Heyms Leben widersetzt sich allen Einordnungen, er war weder Dissident noch Anhänger der SED. Als unabhängiger Marxist versuchte er, seinem eigenen Programm zu folgen und das schon vor 1933. Nachdem er 1933 vor den Nazis geflohen war und nach einer sehr erfolgreichen Karriere in den USA, zuerst in der Armee im Kampf gegen die Nazis und dann als Journalist, verließ er die USA während der McCarthy-Zeit und siedelte in die DDR über. Nach längerer Bedenkzeit gewährte ihm die Ulbricht-Regierung Asyl und verlangte dafür Loyalität. Dieses Zögern entstammt dem Verdacht, dass sich Kommunisten mit Amerikaerfahrung als zu unabhängig erweisen könnten – ein Verdacht, der sich als nicht ungerechtfertigt erwies, wie man sehen konnte.

Als das älteste Mitglied des erstmals neu gewählten (gesamtdeutschen) Bundestages auf der Liste der PDS hatte Heym nun die Ehre, die erste Sitzung des neuen Bundestages am 10. November 1994 zu eröffnen. Heym machte deutlich, dass er sich als Repräsentant aller Parteien sah und dass seine Rede keine Konfrontation hervorrufen würde. Stolz bezog er sich in seiner Rede auf den Sozialdemokraten Willy Brandt und die Kommunistin Clara Zetkin, Alterspräsidentin des letzten demokratisch gewählten Reichstags von 1932.

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