5.6.14

[ #geschichte ] Von der "Versuchsanordnung Wien 77" zur "Fang-Kommission".

Mackenzie Thomas: "Tristram Carried His Love Away" in: Arthur and His Knights von Christine Chaundler. London: Nisbet and Co. Ltd., 1920.
Versuchsanordnung Wien 77. Als eine der ersten Amtshandlungen als bairischer König ließ Ludwig II. 1864 den gerade flüchtigen Richard Wagner aufspüren und nach München holen. Wagner hatte sich zuvor in Wien aufgehalten, um sein neuestes Werk "Tristan und Isolde" an der Hofoper zu proben. Nach 77 Versuchen bliesen die Wiener das Projekt als "unspielbar" ab, man hatte dort wenig übrig für Wagners musikalische Mythen-Maschinen. Der Komponist nahm Reißaus, zumal die Gläubiger hinter dem chronisch Verschuldeten her waren. Richard Wagner war als König Ludwig's II. "Findelkind" seine Schulden und Probleme allesamt los, er bekam Bayreuth und vieles mehr. Die Bayern bekamen aber erst die Probleme und eine Verschuldung, die sie an den Rand des Staatsbankrotts brachten.



Fangkommission. Das Leben und Schicksal von Ludwig II. von Bayern wurde in Filmen, Theaterstücken und Musicals verewigt. Als steinerne Zeugen seiner Eigenwilligkeit ziehen seine Schlösser jährlich Millionen Besucher an. Just am 10. Juni 1886 wird der für unheilbar verrückt erklärte Ludwig II. abgesetzt. Doch so einfach ging das nicht. Um ihm die Nachricht von seiner Absetzung zu überbringen, schickte man eine Staatskommission zum nahe gelegenen Schloss Hohenschwangau. In höchst geheimer Mission. Ein abtrünniger Kutscher eilte allerdings nach Neuschwanstein voraus und warnte Ludwig. Der ließ flugs das Schloss absperren, so dass seine Gendarmen den halbherzigen Angriff aus München locker abschmettern konnten. Man rechnete auch nicht mit der Königstreue einiger Allgäuer Bauern, die sich der "Fang-Kommission" wacker in den Weg stellten. Die Blamage war erst mal perfekt.



Das was sich danach allerdings abspielte, schafft reichlich Mythen. Am 12. Juni ergab er sich in sein Schicksal und wurde widerstandslos nach Berg am Starnberger See gebracht. Dort hatte man Ludwigs kleines Königsschloss vorsorglich in eine Privatirrenanstalt umgewandelt und rund um die Uhr bewacht. Ein Wahnsinniger ist ja gefährlich, dachte man schon damals, und stellte für Ludwigs Spaziergänge mit dem Irrenarzt Dr. von Gudden Wachpersonal ab. Aber schon am folgenden Tag ruderten Gudden und Ludwig auf dem See. Beide wurden tot herausgefischt. Kein Wunder, dass sich neben Verschwörungstheoretikern auch Literatur und Bühne des Themas annahm. Schließlich war auch das Gutachten über die Entmündigung nur eine Ferndiagnose und mit reichlich Mängeln behaftet, schon im Vorhinein feststehend.

Josef Kainz. Ludwig hatte sich seit jeher für das Theater begeistert. Doch er hatte diese Theatervorführungen nie als gesellschaftliche Anlässe betrachtet. Das Publikum störte ihn, sodass er ab 1872 Separatvorführungen durchführte, bei denen er der einzige Zuschauer war. Damit verwandelte er das Theater in ein Individual-Medium. In einer dieser insgesamt 209 Separatvorführungen hatte er auch Josef Kainz zum ersten Mal auf der Bühne gesehen. Die Vorführung hat ihm so gut gefallen, dass sie gleich zwei Mal wiederholt werden musste. Dann lud er ihn auf sein Schloss ein und bereist mit ihm inkognito die Schweiz.

[text4tube⇒]