Das heißt, sie haben auch selbst dieses Ideal ausgelebt, sind mit ihren Modellen in die Sommerfrische gefahren, haben sich da zum Teil auch gegenseitig Aktmodell gestanden, also haben als Männer nicht nur die unbekleideten Frauen studiert, sondern sich auch selbst dazu gestellt. Im Expressionismus der "Brücke" streben Farbe und Form nach dem reinen Ausdruck. Die gemalten Motive wie Landschaft oder Akte in der Natur beziehungsweise in freier Bewegung wurden zum Ausdrucksträger für das innere Erleben der Welt und die subjektive Empfindung der Künstler. Formal wurde diese Steigerung des Ausdrucks durch die Reduzierung der Formen auf das Wesentliche erreicht. Die traditionelle Perspektive und die akademischen Proportionen wurden aufgegeben, was die Unmittelbarkeit noch steigerte. Die Auseinandersetzung mit Kunst der Naturvölker gab hier wichtige Anregungen. Auch die Farbe löste sich bald von der Natur und wurde zum reinen Ausdruck der Emotion: Leuchtend wurde sie in impulsiven, spontanen Gesten aufgetragen.
Die "Brücke" war aber vielleicht weniger Avantgarde denn aktives Kunstmarketing. Sie nutzen ihre im Studium erworbenen Fähigkeiten als Gebrauchsgrafiker, um den wieder entdeckten Flächenholzschnitt für sich zu einem wirksamen Werbemittel zu entwickeln. Nicht nur Plakate werden von ihnen in dieser Technik geschaffen, sondern ebenso Mitglieds- und Einladungskarten, Vignetten für Jahresmappen und Abbildungen in Katalogen (wobei jeweils ein anderer Autor das Bild eines Kollegen im Holzschnitt wiedergibt). Auf diese Weise machen sie den Holzschnitt gleichsam zu ihrem Markenzeichen. Es wurden passive Mitglieder geworben, die für einen Jahresbeitrag Grafikmappen erhielten.
Im Vordergrund stand auch die planvolle Selbstdarstellung ihrer Gründer, die durch die gezielte Eingliederung kunstliebender Juristen, Mediziner und Industriellengattinnen erfolgreich war. Schon ihre Bemühungen, auswärtige und vor allem ausländische Mitglieder für ihre Gruppe zu gewinnen (außer Cuno Amiet, Kees van Dongen und dem Finnen Axel Gallén hat man die Mitgliedschaft auch Edvard Munch und Henri Matisse angetragen), war Marketing für die eigenen Arbeiten, die man in einen Kontext anerkannter europäischer Malerei zu stellen gedachte. Letztlich verdankt sich der um 1910 voll ausgebildete Brücke-Stil den von Mitstreitern ausgehenden Impulsen. Das Marketig geht auf: Auf dem Wege der Nachahmung des Brücke-Stils durch andere Kunstschaffende erreichen sie erst ihre wirkliche Bedeutung.
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18.8.14 [Letzte Aktualisierung, online seit 19.7.13]
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