4.10.14

[ #musik ] Kriegsmusik Orphée 53.

Orpheus (griechisch Ὀρφεύς) ist ein Sänger und Dichter der griechischen Mythologie. Dreiundfünfzig steht für das Aufführungsjahr und bezeichnet  Pierre Schaeffer als "ein Stück für Geige, Cembalo und Magnetophon". Magnetophon, so lautete die Bezeichnung für eine neue Technik, die später und ausgereifter "Tonband" heißen wird. 

"Orphée cinquante-trois", "Orpheus "53", ergänzt die französischen Texte der Urfassung von "Toute la Lyre" durch deutsche Sprechtexte. So kommt es zu eigenartigen Dialogen in verschiedenen Sprachen.


Walter Dirks, der angesehene linkskatholische Journalist, schrieb in seinen Frankfurter Heften dazu: "Am Schluss des "Orphée 53" waren eine griechische Hymne an Zeus, das Geheul der Furien und anderes, nicht Identifizierbares so ungeheuerlich und so maßlos ausgebeutet, dass der ganze Saal um Mitternacht ins Toben geriet, es war nicht mehr zu unterscheiden, was wütender Protest, was fanatische Zustimmung, was amüsierter Ulk, was Nervenentladung – und was das Stück selber war. Mit solcher Musik könnte einer eines Tages einen Krieg entfesseln. Oder doch ein Progrom. Ob er mit den gleichen Mitteln auch ein Herz trösten oder eine Wahrheit aussagen könnte, ist recht fraglich. Ich wage nicht zu sagen, ob die Möglichkeiten, die sich hier auftun, für die eigentliche Kunst irgendwie bedeutsam werden können. Für Demonstrationen, den Krieg, die Diktatur, bietet das Verfahren ganz gewiss geradezu ungeheuerliche Möglichkeiten."

Das Unverständnis für Pierre Schaeffers Werk ist breit. Walter Dirks, linkskatholisch engagiert, mit Adorno Herausgeber der "Frankfurter Beiträge zur Soziologie" hat noch die Musik des Krieges und der Diktatur, gegen die er eintrat, in den Ohren. Das war doch eine gänzlich andere. Er spottet weiter: "Das Wort Komposition, das sich auch in den Wörtern Kompott und Kompost wieder findet eignet sich trefflich für diese Art von Klangmontage." Und selbst Stockhausen kann damit nicht umgehen, wenn er 1953 formuliert: "Vergesse man aber nicht, dass selten eine Komponistengeneration so viele Chancen hatte und zu solch glücklichem Augenblick geboren wurde, wie die jetzige: Die Städte sind radiert – und man kann von Grund auf neu anfangen, ohne Rücksicht auf Ruinen und geschmacklose Überreste". Dass es dieses "neu Anfangen auf Ruinen" nicht gibt, dass nicht nur die Ruinen noch immer das Hören und Sehen diktieren, hatte er damals wohl in der Hitze der Gefechte hoffnungsvoll übersehen wollen.


Die "Musique concrète" markiert den Anfang des modernen Soundsampling, den einer eigenständigen Radiokunst und des Sounddesigns. Mannigfaltige Anregungen sind von ihr ausgegangen. Pierre Schaeffer über seine Idee einer "Musique concrète": "Ich komme ins Studio, um Geräusche sprechen zu lassen. Sie beschwören nicht mehr das Dekor oder die Schicksalsknoten einer Handlung, sondern artikulieren sich durch sich selbst ... und selbst wenn Bruchstücke von Worten oder Sätzen darin enthalten sind, so haben sie doch fraglos eine Ablenkung erfahren, wo nicht ihres Sinnes, so doch ihres Gebrauches. Anstelle von Musik ist ex abrupto eine Art Klangpoesie entstanden."

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