22.8.13

Goethes Souffleur: Von Muttersprache bis Zeitgeist


Der Begriff Zeitgeist ist eine deutsche Entlehnung aus dem Lateinischen (Genius seculi).

In seinen "Kritischen Wäldern" polemisiert Johann Gottfried Herder 1769 heftig gegen den Philologen Christian Adolph Klotz.


Als Erzieher und Reisebegleiter eines holsteinischen Prinzen kommt Johann Gottfried Herder 1770 nach Straßburg. Dort lernt er im Gasthaus "Zum Geist" den fünf Jahre jüngeren Goethe kennen. Er weckt dessen Interesse an der Volkspoesie, regt ihn an, im Elsass selbst Lieder aufzuzeichnen, bringt ihm nahe, dass "Dichtkunst überhaupt eine Welt- und Völkergabe sei, nicht ein Privaterbteil einiger feinen, gebildeten Männer". In seinen eigenen Gedichten aus dieser Zeit - den "Sesenheimer Liedern" - ist die Hinwendung zu Natürlichkeit und echter menschlicher Empfindung zu spüren, eben jenen Zügen, die Herder an der Volkspoesie schätzt. 1778 und 79 erscheinen dann in Leipzig Herders "Volkslieder".


Die zwei Bände enthalten reichlich 160 Texte, übersetzt aus dem Englischen, aus romanischen, slawischen, nordeuropäischen Sprachen, aus dem Samischen und Grönländischen. Deutsche Lieder haben auf seine Bitte hin Goethe, Gleim, Wieland geschickt, Lavater solche aus der Schweiz. 1807, vier Jahre nach Herders Tod, erscheint die Sammlung, herausgegeben und neu geordnet von Johann Georg von Müller, unter dem bis heute bekannten Titel "Stimmen der Völker in Liedern".


Im Blick auf die deutsche Literaturentwicklung ist er vor allem als Initiant und Vordenker, ja als "Vaterfigur" der Sturm-und-Drang-Bewegung wichtig; eine Rolle, die später auch von Goethe selbst herausgestellt wird. 1773 bringt er gemeinsam mit Goethe "Von deutscher Art und Kunst. Einige fliegende Blätter" (Hamburg: Bode 1773) heraus, eine Sammlung programmatischer Schriften des Sturm und Drang. Darin weist er auf die Bedeutung des Volksliedes und der Volkssagen hin und fordert die Verwendung der Volkssprache, die er erstmals als "Muttersprache" bezeichnet, in der Literatur.


Zwischen Goethe und Herder entstand eine jahrzehntelange Freundschaft. Goethe bekam Einsichten und Anregungen, die grundlegend für sein gesamtes dichterisches Schaffen waren. Herder erschloss ihm eine neue Welt, regte ihn an, die Thematik für seine Dichtungen der Wirklichkeit zu entnehmen. Er begeisterte Goethe für Werke Shakespeares; er sah in Goethes "Götz von Berlichingen" Shakespeare neu belebt. Herder leitete Goethe zu geschichtlichem Denken an und begeisterte ihn auch für die Volkspoesie als Quelle aller großen Kunstwerke. Er regte ihn zu realistischem, volksverbundenem Schaffen an. Goethe wandte sich auch tatsächlich Volksliedern zu. Davon zeugen die Gedichte: "Heidenröslein" und "Mailied", die beide Volksliedcharakter tragen. Diese Dichtungen entsprachen dem Empfinden breiter Volksschichten und waren in Form und Inhalt eine Absage an die höfisch gekünstelte Literatur. 1775 wurde Herder als Hofprediger und Generalsuperintendent nach Weimar berufen. Neben Goethe, Friedrich Schiller und Christoph Martin Wieland zählte er dort bald zu den bedeutendsten Persönlichkeiten.

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