17.1.16

[ #krieg ] International, also unheroisch und undeutsch: Lili Marleen

1942 warf das Goebbel'sche Propagandaministerium Lale Andersen "undeutsche Kontakte" zu jüdischen Emigranten in der Schweiz vor. 

Zwischen 1933 und 1937 gehörte Lale Andersen zum Ensemble des Zürcher Schauspielhauses. In diese Zeit fallen auch ihre dramatischen Studien bei dem deutschen Schauspieler Ernst Ginsberg (1904–1964), der nach seiner Emigration von 1933 bis 1962 Mitglied des Zürcher Schauspielhauses war. Aus Furcht vor einer Verhaftung nahm sie angeblich sogar eine Überdosis Schlaftabletten.


Nach der deutschen Niederlage bei der Schlacht von Stalingrad wurde "Lili Marleen" aus dem Programm des Soldatensenders Belgrad genommen. Das unheroische Lied statt der üblichen Durchhalte- und Kriegspropaganda ist Josef Goebbels schon lange ein Dorn im Auge und bei der Nazi-Propaganda verpönt. Doch selbst der Nazi-Propagandachef schafft es nicht, "Lili Marleen" so einfach aus dem Programm zu verbannen. Das Propagandaministerium verhängt zwar gegen die Sängerin ein Auftrittsverbot. Sechs Monate später wird das Verschwinden von Lale Andersen und "Lili Marleen" von der BBC bemerkt: "Ist es Ihnen aufgefallen, dass Sie dieses Lied schon lange nicht gehört haben? Warum wohl? Vielleicht deshalb, weil Lale Andersen im Konzentrationslager ist?", fragt der Sender. Die Nachfrage von BBC hat Wirkung: Im Mai 1943 darf Lale Andersen wieder beschränkt auftreten, "Lili Marleen" jedoch nicht mehr singen.


Auch die Soldaten der Allierten singen mit wachsender Begeisterung das Lieblingslied des Kriegsgegners. Lili Marleen wird zur Waffe im Propagandakrieg, Übersetzungen und Umdichtungen entstehen. 1944 erscheinen in Großbritannien und den USA erste lizensierte englischsprachige Versionen. Amerikaner denken bei Lili Marleen an Marlene Dietrich, nicht an Lale Andersen. Ab Herbst 1943 singt der deutschstämmige US-Star das Lied in einer kämpferischen englischen Übersetzung.


Auch die Briten haben ihre eigene Lili Marleen: Die junge Sängerin Anne Shelton (1928 - 1994). Als "Sweetheart" der Soldaten konkurriert sie erfolgreich mit der Deutschen Lale Andersen. Dazu kommen noch propagandistische Fassungen von "Lili Marlen" für die heimlichen BBC-Hörer in Deutschland.


Die bekannteste Umdichtung ist die von Lucie Mannheim, die von BBC während des Krieges gesendet wurde. In ihrer "Anti-Hitler-Version" persiflierte sie auf Lale Andersens Text.


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