11.8.14

[ #literatur ] Expressionistisches Juristenlatein

"Von der Polizei: Bestrafung Georg Heyms" lautet die Eintragung im Geschäftsjournal des Gymnasiums in Ruppin am 21. Juni 1905. Erst zu Ostern 1905 war er aus dem Königlichen Joachimsthalschen Gymnasium in Berlin geflogen. Peinlich: Der Bestrafte ist der Sohn eines Staats- und Militäranwaltes.

Nachdem Georg Heym ein schuleigenes Ruderboot des Königlichen Joachimsthalschen Gymnasium zu Berlin-Wilmersdorf in Brand gesteckt hatte, musste er zu Ostern 1905 die Schule wechseln, "in die Verbannung", wie er sagte, ins Friedrich-Wilhelms-Gymnasium in Neuruppin. Verbote der Schule umging er konsequent: Heym gründete eine Schülerverbindung, die "Rhinania" und suchte bis nach Mitternacht (Silentium war schon um neun Uhr gewesen) mit den Schülern verbotene Schenken auf – dafür gab’s Arrest. Davon berichtet eben auch die Eintragung im Geschäftsjournal.

Und im Reifezeugnis stand: "Nicht unbegabt, aber zerfahren und durch Allotria abgelenkt." Doch er geht nicht ohne letzten Streich: Zum Abschluss stülpt Heym in der Nacht vor seiner Abreise der Germania des Kriegerdenkmals seine weiße Primanermütze über. Dies wurde so von den Behörden ermittelt. Wie beengend ihm, dem Sohn eines Militäranwaltes, die Schule war, zeigt sein Tagebucheintrag zur Reifeprüfung im Frühjahr 1907: "frei, frei, frei, mir allein gehorsam, und meine Bahnen offen..."

Georg Heym entstammte einer Familie des protestantischen Großbürgertums, in der er als "interessanter Vetter" und "schwarzes Schaf" gleichermaßen auffiel. Heyms Verhältnis zu seinem Vater, dem Geheimrat und Militärreichsanwalt Hermann Heym, war schwierig, wenngleich der Vater bemüht war, seinem Sohn, der sich zu keinem Beruf geschaffen fühlte, gerecht zu werden. Dem Wunsch seines Vaters folgend, studiert Heym widerwillig Jura in Würzburg, Berlin und Jena. Andere Dichter taten dies auch, etwa Flaubert, Wedekind oder Handke und ließen an ihrem Jurastudium auch kaum ein gutes Haar.


Die Welt der Gesetze war also seine Sache nicht. Doch Heym besteht - allem Widerwillen zum Trotz - die erste juristische Staatsprüfung in Berlin. Die schriftliche Examensarbeit verfertigte Heym mit Hilfe befreundeter Rechtsgelehrter, bei der Klausur wurden ihm die fertigen Ausarbeitungen zugesteckt, und die mündliche Prüfung verlief überraschend kurz. Aber er hatte sie bestanden, und die Feier endete mit dem Verbrennen der Lehrbücher.

Aus dem vorgeschriebenen Vorbereitungsdienst wird er wegen der Vernichtung einer wichtigen Grundbuchakte entlassen. Um sich der leidigen Akte zu entledigen, steckte Heym diese kurzerhand in die königlich-kammergerichtliche Toilette; die Wasserspülung war daraufhin defekt, Installateure fanden den Grundbuchsakt, worauf Heym nach Wusterhausen versetzt wurde. Von diesem Referendariat lässt er sich nach wenigen Monaten beurlauben und will nie mehr in den juristischen Dienst zurückzukehren.

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